Land und Landschaft

8 ländlicher raum(…) braucht es einen Landschaftsbegriff, der zeitgemäße Ideen von Freiheit, Sozialität und ihrer Gegensätze aufgreift und integriert in der Vorstellung eines schönen Raumes entwickelt.

Ein solcher Landschaftsbegriff umfasst bestimmte Qualitäten, die wir nicht mehr gewohnt sind, der Landschaft zuzuschreiben: Qualitäten wie Permanenz, Öffentlichkeit, Gleichklang, Stabilität.

Permanenz als Qualität von Landschaft meint – durchaus in Anlehnung an Aldo Rossi – dass gute  Formen des Raumes Funktionswandel der Zeiten überdauern können. André Corboz hat mit seiner Metapher vom Territorium als ein Palimpsest hinzugefügt:  weil das Aufgreifen alter Formen im Raum intelligentere Eingriffe erlaubt, Identität und Verantwortung fördert.

Öffentlichkeit als Qualität von Landschaft meint – durchaus in Anlehnung an Jürgen Habermas und andere – dass ein offener, vernetzter und gastlicher Raum Foren für Kommunikation bildet. Ein kommunikativer Landschaftsbegriff hieße, dass Landschaft als Ort und zugleich als Gegenstand gesellschaftlicher Diskurse entsteht.

Landschaft meint immer Vielfalt und trotzdem Ganzheitlichkeit. Diese Ganzheitlichkeit kann heute kein sozialer Kitt sein (wie es Heimat versucht), vielleicht aber soziale Klebestelle. Dafür müssen Menschen am gleichen Ort und zu gleichen Zeiten aufeinandertreffen können, und zwar sowohl geplant wie ungeplant. Dieser Landschaftsbegriff umfasst dann die Qualitäten der Gleichörtlichkeit und Gleichzeitigkeit, also Synchronität oder Gleichklang.

Stabilität als Qualität von Landschaft schließlich bedeutet, – im Sinne des amerikanischen Landschaftstheoretikers John Brinckerhoff Jackson – dass sie als ein „System menschengemachter Räume“ verstanden wird, von denen eine jede mit Toleranz und Respekt zu behandeln und als „wirklich ausgeglichene Landschaft“ zu gestalten sei, denn: „[…] so mag auch eine Landschaft ohne langfristige Ziele, ohne Struktur und Gesetz zwar paradiesisch anmuten, aber letzten Endes frustriert sie jede Suche nach einer sozialen oder moralischen Ordnung.“

Wenn ein Landschaftsbegriff diese – und weitere – Qualitäten von Freiheit und Sozialität umfasst, dann wird Landschaft zum Verantwortungsbereich. Sie unterliegt nicht mehr allein dem subjektiven Urteil von Schönheit, sondern wird auch Gegenstand praktischer Vernunft, in dem der Mensch sein Verhältnis zum Raum im Sinne eines kategorischen Imperativs regeln kann. (…)

(Auszug aus: Faktor Landschaft. Vortrag zum gemeinsamen Sommerkolloquium der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum und der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung am 23. Juli 2009 in München)